Candidate Experience – welche Erwartungshaltung haben Kandidaten an den Bewerbungsprozess?

Der Arbeitgebermarkt entwickelt sich seit längerem in vielen Segmenten hin zum Bewerbermarkt, was sich somit positiv auf die Ausgangslage der Arbeitssuchenden auswirkt. In vielen Fällen ist es nicht mehr die Aufgabe der Bewerber sich anzubieten. Der allgemein beklagte Mangel an qualifizierten Fach- und Führungskräften hat diese Trendwende herbeigeführt. Inzwischen sind die Unternehmen gezwungen für sich und die offenen Vakanzen zu werben und dabei auch den Rekrutierungsprozess auf die gestiegenen Ansprüche und Erwartungen der Kandidaten zu optimieren.

Für eine Fokussierung und die notwendige Investition in die Candidate Experience spricht neben dem positiven Einfluss auf die Talentgewinnung die Schärfung der Unternehmenskultur und des Employer Branding. Das Unternehmensimage wird nachweisbar von den Kontakterfahrungen während des Kandidatenprozesses beeinflusst. Somit ist es eine strategische Unternehmensentscheidung die Candidate Experience fortwährend zu hinterfragen und zu optimieren

In diesem Blogbeitrag lesen Sie mehr über die

  • Erwartungshaltung der Bewerber an den Rekrutierungsprozess,
  • Konsequenzen negativer Bewerbungserfahrungen und die
  • positiven Faktoren auf die Candidate Experience.

Erwartungshaltung der Bewerber an den Rekrutierungsprozess

Die Bedürfnisse wechselwilliger Kandidaten hat softgarden  in einer Studie mit ca. 6.500 Teilnehmern untersucht. Dabei wurden Antworten zu bevorzugten Bewerbungsverfahren, zur akzeptierten Dauer der Dateneingabe, Reaktionszeit der Arbeitgeber und Gründe für Abbrüche im Bewerbungsverfahren durch die Kandidat*innen erhoben.

Welches Bewerbungsverfahren wird bevorzugt?

Die Candidate Experience ist für den Bewerbungsprozess ein bestimmendes Thema. Favorisiert werden Bewerbungen per E-Mail am stationären Rechner / Laptop (48,9%) wie auch die Bewerbung über Online-Formulare am stationären Rechner / Laptop (43,4 %). Dabei scheint es Geschmacksache zu sein, ob eine Bewerbung über den E-Mail-Versand oder über das Online-Formular erfolgt. Generell kann man festhalten, dass Unternehmen, die beide Alternativen anbieten auf der sicheren Seite sind. Online-Formulare sollten sich jedoch ausschließlich auf die Erhebung positionsrelevanter Daten beschränken und/oder einen Import der Daten von Social-Media-Portalen wie XING, LinkedIn oder eines Lebenslaufs ermöglichen.

Wie viel Zeit darf die Dateneingabe bei der Bewerbung in Anspruch nehmen?

Potentielle Kandidaten sind von nutzerfreundlichen Onlineservices verwöhnt und erwarten auch bei der eigenen Bewerbung über ein Onlineportal einen zügigen Prozess. Bei der Dauer der Dateneingabe empfinden 45,1% der Befragten weniger als 10 Minuten als angebracht, 32,2% sind bereit 10-20 Minuten zu investieren. Auch hier wirkt sich die Begrenzung der Formularfelder auf das Relevanteste und der Datenimport von Social-Media-Portalen wie XING, LinkedIn oder eines Lebenslaufs positiv aus.

Wie schnell sollten Arbeitgeber antworten?

Auf die Frage wie viel Zeit längstens zwischen der schriftlichen Bewerbung und der Einladung zum Vorstellungsgespräch liegen sollte, antworteten die Befragten der Studie wie folgt:

  • 14,6 % der Befragten empfinden weniger als eine Woche als angebracht
  • Für 56,7 % sind zwei Wochen Wartezeit noch im Rahmen der Erwartung
  • 27,2% sind bereit auch bis zu 3 Wochen auf eine Einladung zu warten

Die logische Ableitung davon: je attraktiver das Talent, desto zügiger muss gehandelt werden. Bei gefragten Kandidaten gibt es oft nur ein kurzes Zeitfenster von wenigen Tagen für das Feedback.

Wieso bricht ein Kandidat seinerseits den Bewerbungsprozess ab?

Bei obiger Befragung gab über die Hälfte der Arbeitssuchenden an, in der Vergangenheit bereits einen Bewerbungsprozess abgebrochen zu haben, obwohl sie an der ausgeschriebenen Vakanz interessiert waren.

Die Top 3 Gründe dafür waren:

  • Für mehr als 55 % war der Bewerbungsprozess zu umständlich
  • Die Reaktion des Arbeitgebers auf die Bewerbung empfanden 42,5 % als deutlich zu langsam
  • 41,9 % der Befragten waren wenig von dem unsympathischen Auftreten der jeweiligen Ansprechpartner des Unternehmens begeistert

Konsequenzen negativer Bewerbungserfahrungen

Möglicherweise springt der Kandidat bei einer schlechten Erfahrung im Bewerbungsprozess ab. Jedoch bleibt es dabei oft nicht, denn die erlebte Enttäuschung hat umfangreiche Auswirkungen:

Schlechte Bewertungen auf Portalen wie kununu, glassdoor aber auch Google beeinträchtigen das Arbeitgeberimage. Laut einer Studie von softgarden nutzen bereits 45,7% der Arbeitssuchenden die Onlinebewertungsportale, um sich über mögliche Arbeitgeber zu informieren. Knapp 53 % der Kandidaten haben sich bereits gegen eine Bewerbung entschieden, weil der Arbeitgeber auf einer Plattform schlecht abgeschnitten hat.

Laut der Candidate Journey Studie von Careerbuilder würden ca. 53 % der Kandidaten nicht mehr bei dem Unternehmen einkaufen, wenn sie

  • keine Rückmeldung auf ihre Bewerbung bekommen
  • ein Negativerlebnis im Bewerbungsgespräch hatten
  • nach dem Bewerbungsgespräch keine weitere Rückmeldung vom Unternehmen erhalten

Ein oft genanntes Beispiel des britischen Unternehmens Virgin Media verdeutlicht dies: Abgelehnte Kandidaten wurden nach Ihren Erlebnissen und dessen Konsequenzen befragt. Häufig bemängelten die Befragten, dass sie nicht wertschätzend behandelt wurden oder keine Rückmeldung vom Unternehmen erhalten haben. Oftmals kündigten die Bewerber an, ihren bestehenden Vertrag wegen der gemachten Erfahrung bei Virgin Media zu kündigen. Bei internen Recherchen stellte sich dabei heraus, dass 18 % der abgelehnten Bewerber auch bezahlende Kunden waren. Weitere Recherchen in der Folge ergaben, dass tatsächlich 6 % der Kandidaten nach einer Negativerfahrung im Bewerbungsprozess ihren Vertrag auflösten. Hieraus resultierend bewirkten die ca. 123.000 abgelehnten Kandidaten pro Jahr 5,4 Mio. EUR Verlust – nur durch die schlechte Candidate Experience bedingt.

Checkliste für eine erfolgreiche Candidate Experience

Erwartungsmanagement und Dialog

  • Transparenz erzeugen: Ist ein lückenloser Dialog über den gesamten Prozess gewährleistet?
  • Erwartungshaltung managen: Erläutern Sie bei jedem Kontakt die weiteren Schritte?
  • Gesprächsführung prüfen: Wird im Interview ein schlüssiges Bild von Ihnen vermittelt?
  • Timing: Sind die Antwortzeiten gegenüber dem Bewerber kurz?
  • Achten Sie darauf, dass Ihre Absagen wertschätzend sind und begründen Sie diese?

Wertschätzung

  • Werden die Kandidaten von Ihnen wertschätzend behandelt?
  • Hören Sie den Bewerbern genau zu und führen den Dialog auf Augenhöhe?
  • Wird für eine angenehme Atmosphäre bei den Gesprächen gesorgt?
  • Wertschätzen Sie die vom Kandidaten in den Prozess investierte Zeit?

Evaluierung und Verbesserung aus Bewerbersicht

  • Werden potentielle Kandidaten erfolgreich von Ihrer Karriere-Seite / Homepage abgeholt? Wird die Seite dabei der Relevanz als häufiger Einstiegs- und Kontaktpunkt gerecht?
  • Wurde der Bewerbungsprozess aus der Perspektive der Bewerber durchlaufen? Haben Sie dabei Schwachstellen identifiziert und behoben?
  • Ist der Bewerbungsprozess intuitiv?
  • Überprüfen Sie den Bewerbungsprozess regelmäßig anhand des Feedbacks der Bewerber?
  • Bieten Sie neben der schriftlichen Bewerbung die Alternativen per E-Mail und Online-Formular an?
  • Haben Sie die Bewerbungsmöglichkeiten auf die mobile Nutzung optimiert?
  • Wird auf den Log-In als Voraussetzung für eine Bewerbung verzichtet?
  • Werden in den Formularen lediglich positionsrelevante Daten abgefragt?

Prozessentwicklung

  • Haben Sie die Bewerbungsprozesse standardisiert?
  • Würde ein höherer Grad an Digitalisierung die Prozesse verbessern, oder beschleunigen?
  • Werden die oben aufgeführten Punkte von Ihren Mitarbeitern / Recruitern, als wichtigster Kontaktpunkt, gelebt?
  • Wäre die Abstimmung mit den Entscheidern der Fachbereiche zu optimieren?

Talent Relationship Management

  • Werden die abgelehnten Bewerber (unter Berücksichtigung der rechtlichen Voraussetzungen) in einen Talent-Pool aufgenommen?
  • Sorgt dieser Pool für eine fortwährende Beziehung, indem er regelmäßig und mit Mehrwert an den Kandidaten tritt?
  • Ziehen Sie bei besonders qualifizierten Talenten in Betracht, diese anderweitig in Ihrem Unternehmen zu platzieren, oder eine Position für diese zu schaffen?

Gerne steht Ihnen die Personalberatung holisticminds bei Fragen zur Optimierung Ihres Bewerbungsprozesses zur Verfügung. Natürlich unterstützen wir Sie auch in der Personalsuche von Fach- und Führungskräften, im Bewerbermanagement, sowie bei der Kandidatenauswahl.