Eiche als Sinnb ild für eine organische, stabile Orgaanisationsentwicklung und einer starken Arbeitgebermarke

Gastbeitrag: Wie der Umgang mit der Corona-Krise für Unternehmen zum Startpunkt einer authentischen Arbeitgebermarke wird

Was die Zeit des Wandels mit uns macht und welche Chancen sie bringt

Autorin: Jennifer Welsch, Jennifer Welsch Beratung & Coaching

Aktuell befinden sich Unternehmen und Selbständige in einer Phase, in der die Auseinandersetzung mit strategischen Themen und eine proaktive Steuerung vermehrt wieder möglich werden. Der erste Schock auf die Krise ist verarbeitet, rasch ging es um die Entwicklung und Umsetzung von ad-hoc Lösungen, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben. Flexibilität scheint eine der wichtigsten Kompetenzen dieser Zeit zu sein und hat sich zu mehr als einer Floskel in einer Stellenanzeige gemausert.

Unternehmen durchleben in diesen Zeiten zumeist eine Neuorganisation von Prozessen und Vorgehensweisen in der Rekrutierung, im On- und Offboarding sowie der Personalentwicklung von Mitarbeitern. Gleichzeitig lernen sie sich dabei neu kennen und können überrascht sein, welche Fähigkeiten sich in Ausnahmesituationen zeigen können, die zuvor nie herausgefordert und erkannt worden wären. Diese Einzigartigkeit von Organisationen, dynamisch und leistungsfähig im Wandel zu reagieren, lässt sich für den Aufbau einer unverwechselbaren Arbeitgebermarke nutzen. Impulse, wie dies gelingen kann und welche Rolle die Employee Experience dabei einnehmen kann, liefert dieser Artikel.

Wenn wir überraschend eintretenden Veränderungen ausgesetzt sind, durchleben wir diesen Umbruch emotional und in Phasen. Wenn Unternehmen die Chancen des Wandels für die Umsetzung strategischer Themen nutzen möchten, ist es hilfreich, die emotionalen Reaktionen zu verstehen und den passenden Startpunkt zu wählen. Change-Management-Modelle wie das 7- Phasen-Modell von Richard K. Streich können helfen, die Entwicklungsschritte der Organisation nachzuvollziehen:

In der ersten Phase wird die vermeintliche Sicherheit aus bekannten Verfahrens- und Verhaltensweisen zunächst erschüttert (1), das Neue wird oftmals innerlich abgelehnt (2). Im Zeitverlauf verstehen wir, dass die Veränderung unumgänglich ist. Insgeheim hoffen wir jedoch auf eine nicht vollumfängliche Umsetzung des neuen Kurses (3). Schließlich gelangen wir an den Punkt der Akzeptanz und verstehen uns als Teil und Mitgestalter dieses Veränderungsprozesses (4). Es beginnt ein kreativer Prozess, in dem durch Erfolge und Misserfolge neue Strategien und Kompetenzen aufgebaut werden (5-6). Wir sind weit über unsere Komfortzone hinausgegangen und haben unser Handlungsrepertoire enorm erweitert. Schließlich werden die erlernten Verhaltensweisen in unseren Alltag integriert und wir bilden unsere neue, vertraute Realität (7).

Im Modell wird deutlich: Je länger wir uns bereits in der Veränderung befinden, desto kompetenter erleben wir uns in der Fähigkeit, diese zu steuern. Gleichzeitig eröffnet das „thinking out of the box“ neue Möglichkeiten. Es können unternehmensinterne Festlegungen, wie eine bewusst inszenierte Arbeitgebermarke, in Krisenzeiten überprüft werden. Warum? Alte Denkmuster wurden nach Jahren aufgebrochen, sodass es wesentlich leichter fällt, bestehende Statuten neugierig zu hinterfragen und anzupassen.

Wie nehmen Mitarbeiter ihre Arbeitgeber in dieser Zeit wahr?

Unternehmen wirken zu jeder Zeit in dem was sie tun nach außen. In Krisenzeiten erleben Arbeitnehmer die Kultur ihres Arbeitgebers ungeschminkt. So werden die Stärken und Schwachpunkte einer Organisation transparent und eine bewusst inszenierte Arbeitgebermarke wird auf den Prüfstand gestellt. Mitarbeiter fügen ihre Emotionen und Wahrnehmungen während ihrer gesamten Betriebszugehörigkeit zu einem Gesamtbild zusammen. Sie verarbeiten unbewusst permanent Informationen zu der Frage: Verändert sich mein Eindruck, den ich von meinem Arbeitgeber habe, mit dieser neuen Erfahrung?

Wo Unsicherheit herrscht, Feedback und der direkte Kontakt zum Arbeitgeber aus dem Homeoffice fehlt, kommt es gerne zu Missverständnissen. Im ungünstigsten Fall resultieren daraus negative Stellungnahmen in den sozialen Medien oder im privaten Freundes- und Bekanntenkreis. Den Kontakt zu den Bedürfnissen der Mitarbeiter zu halten, macht Sinn und wirkt nachhaltig – auch auf potenzielle Bewerber. Laut der Randstad employer brand research 2019 informieren sich 88% der Deutschen auf Jobsuche über den Ruf ihres potenziellen Arbeitgebers.

Für diese Erfahrungen, die Mitarbeiter sammeln, wurde unlängst der Begriff „Employee Experience“ geschaffen, welcher in Krisenzeiten einen bedeutenden Stellenwert gewinnt. Gemeint ist damit nicht die Arbeit selbst, sondern die Summe aller kleinen Augenblicke, Eindrücke und persönlichen Bewertungen, die das Arbeitserlebnis ausmachen. Vom ersten Kontakt, dem Interview, dem Onboarding, den Höhen und Tiefen im betrieblichen Alltag bis zum Austrittsgespräch. Jeder Moment fügt sich wie bei einem Puzzle zusammen.

Eine konkrete Employee Experience gewollt mit Marketinginstrumenten zu konstruieren, wird kaum gelingen. Vielmehr geht es darum zu verstehen, warum Mitarbeiter es lieben, gerade bei diesem einen Arbeitgeber zu arbeiten. Hier können es vermeintlich liebgewonnene Kleinigkeiten sein, die den Unterschied machen.

Wie Unternehmen die Employee Experience in ihr Employer Branding Konzept integrieren

Manchmal verändern Unternehmen ihre Führung, Strukturen und Prozesse in eine Richtung, zu der sie beraten wurden oder sich durch den Markt gedrängt fühlten. Was ausscheidende Mitarbeiter dann oftmals sagen, ist etwas wie: „Früher habe ich so gerne hier gearbeitet. Das was meinen Arbeitgeber ausgemacht hat, ist verschwunden.“ Die Organisation wurde ohne Beteiligung seiner Mitarbeiter verändert – dabei sind Mitarbeiter die Mitglieder der Organisation und stützen und formen die Kultur des Unternehmens ebenso wie die Führungsebene.

Diese einzigartige Qualität, die Mitarbeiter an ihrer Organisation so schätzen, kann als eine Art Alleinstellungsmerkmal beim Aufbau eines transparenten, authentischen und spürbaren Arbeitgeberversprechen genutzt werden. Über vertiefende, systemische Fragetechniken kann im Dialog mit einer Auswahl von Mitarbeitern die Essenz der Antworten gewonnen werden. Die erste Antwort des Mitarbeiters auf eine Frage wie: „Angenommen, Sie müssten aus Gründen auf die weder Sie noch ihr Arbeitgeber Einfluss hätten, das Unternehmen verlassen. Was würden Sie zutiefst vermissen?“ mag noch zu pauschal sein. Mit einer aufmerksamen und forschenden Haltung kann es gelingen, zum Kern der Aussagen vorzudringen. Dieser angeleitete Perspektivwechsel zum Mitarbeiter kann von der Führungsebene erlernt und als Technik im Rahmen der turnusmäßig stattfindenden Jahresgesprächen eingesetzt werden. Das Ziel dahinter ist, „die Brille des Mitarbeiters“ auch unterjährig wie selbstverständlich abzufragen, bevor Maßnahmen in die Planung und Umsetzung gehen.

Unternehmen können sich demnach gerade jetzt positiv vom Wettbewerb abheben. Dies gelingt weniger durch ein „perfektes“ Employer Branding, sondern wird vielmehr durch die Kenntnis der Stärken und Schwächen aus zwei Blickrichtungen unterstützt: a) den Schlüsselmomenten der Employee Experience der Belegschaft und b) den erlebten Fähigkeiten als Organisation innerhalb der durchlaufenen Prozessphasen. Auf Grundlage dieser Transparenz lässt sich ein glaubhaftes und authentisches Unternehmensversprechen schaffen.

Organisationen können sich im Team als überdurchschnittlich reaktionsstark, innovativ und lösungsorientiert wahrnehmen, während ihre Mitarbeiter aus dem Homeoffice voller Dankbarkeit ein hohes Maß an Sicherheit, Familienfreundlichkeit und Führungsstärke erfahren durften. Diese beiden Perspektiven, gefüllt mit Storys und Emotionen aus Erfolgen und Misserfolgen, können das Herzstück einer unverwechselbaren und greifbaren Arbeitgebermarke bilden.

Mit welcher Wirkung? An Bord finden sich motivierte Mitarbeiter, die sich langfristig an das Unternehmen gebunden fühlen. Bewerber spüren im Interview die authentische Kultur des Unternehmens und empfinden diese positive Candidate Experience auch im betrieblichen Alltag. Zufriedene Mitarbeiter fungieren als Markenbotschafter und können zum Beispiel über Initiativen wie „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“ einen effektiven und stetigen Beitrag innerhalb einer Recruiting-Strategie leisten.

Der langfristige Gewinn aus Zeiten der Veränderungen

Organisationen, die ihr Potenzial und ihre Stärken in Krisenzeiten erkennen und die Perspektive der Mitarbeiter in ihre Employer Branding Strategie integrieren, bauen eine zukunftsfähige, echte und anfassbare Arbeitgebermarke auf. Sie werden gegenüber zukünftigen Herausforderungen flexibel agieren können, da ihr System in sich beweglich und nicht starr ist. Sie haben erlebt, als Organisation selbstwirksam zu sein und im Team große Veränderungen meistern zu können. Eine Stärke, derer sich Mitarbeiter verbunden fühlen und neue Mitarbeiter folgen möchten.

Zur Autorin: Jennifer Welsch, Jahrgang 1984, ist Dipl. Wirtschaftspsychologin, Coach und systemische Beraterin für Unternehmen und Privatpersonen. Durch ihre langjährige Expertise als Personalentwicklerin, Recruiterin und interner Coach in Unternehmen kennt und durchdringt sie unterschiedliche Perspektiven und lässt diese Klarheit in ihren Artikeln einfließen.

Ihr besonderes Interesse gilt wirkungsvollen, umsetzbaren Lösungen zu den HR-Themen „Mitarbeiter finden, binden und entwickeln“. Klienten unterstützt sie darin, eigene Ressourcen und Möglichkeiten zu erleben und wieder selbstwirksam ihre Lebensthemen zu gestalten. Die Werte Sinnhaftigkeit, Echt- Sein, Wertfreiheit und Nachhaltigkeit treiben sie an.

Internet-Quellenangaben:

Zelesniack, Elena; Grolman, Florian: Die besten Change Management-Modelle im Vergleich. Abgerufen am 30.05.2020, von https://organisationsberatung.net/change-management-modelle-im- vergleich/

Pendell, Ryan (2018, Oktober 12). GALLUP, Employee Experience: Employee Experience vs. Engagement: What’s the Difference? Abgerufen am 30.05.2020, von: https://www.gallup.com/workplace/243578/employee-experience-engagement-difference.aspx

Titelbildnachweis: shutterstock.com , Freistehende Eiche: Foto von Alexander Tolstykh/Shutterstock/Lizenznummer: 707501539