Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz im Recruiting

Wie viel Künstliche Intelligenz steckt bald im Recruiting?

Die Digitalisierung ist in vollem Gange. Auch Unternehmen und sie unterstützende Personalberatungen bekommen dies zu spüren. Es kommen immer mehr Tools auf den Markt, die anpreisen das Recruiting mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz zukünftig zu ersetzen. Was ist dran an den Versprechen der KI? Müssen sich Recruiter bald um ihre berufliche Zukunft sorgen? In diesem Artikel wollen wir die Potenziale vom Einsatz der Künstlichen Intelligenz in der Personalgewinnung und -vermittlung beleuchten.

KI im Recruiting – Chancen & Risiken Stand heute

Dass die richtigen Menschen miteinander arbeiten ist Ziel des Recruitings. Recruiting ist ein People Business: Menschen kennenzulernen, ihre Besonderheiten herauszuarbeiten, Menschen mit gleichen Interessen miteinander zu verbinden. Werden zukünftig Maschinen diese Fähigkeiten übernehmen? Im War for talents kann es sich heutzutage kein Recruiter mehr leisten „business as usual“ zu machen. Sie sind gezwungen, sich immer wieder mit neuen Themen zu befassen. Dazu gehören neue Plattformen oder Software, die ihre Arbeit effizienter machen. Schauen wir uns doch einmal an, in welchen Phasen des Recruitings intelligente Technik dem Mensch eine gute Ergänzung sein oder ihn sogar überlisten kann.

Recruitingphase 1: Geeignete Kandidaten identifizieren

Zwei Fragen sind bei der Identifizierung von Kandidaten im Recruiting ganz wichtig:

  • Welches Profil wird gesucht?
  • Wo wird gesucht?

Das Stellenprofil genau kennen

Wer weiß, nach was er sucht, kann finden. Das Unternehmen liefert durch die Stellenanzeige zwar ein Anforderungsprofil mit, jedoch müssen für eine erfolgreiche Besetzung nicht immer alle Kriterien erfüllt werden. Viel wichtiger ist es, die Anforderungen genau interpretieren zu können. Im Vorteil ist, wer die Branche und den Markt genau kennt. Dadurch sind Sie in der Lage, Suchanfragen breiter zu formulieren (um auch in verwandten Bereichen nach potenziellen Kandidaten zu suchen) oder sie einzugrenzen (um ausschließlich Treffer mit dem expliziten Profil zu erhalten). Wird z. B. ein/e UX Designer gesucht, liefert die Suchanfrage nach „Interface Design“ oder „GUI Design“ oder „App Design“ höchstwahrscheinlich genauso brauchbare Ergebnisse wie Ihre Suche nach „UX Design“.

An den richtigen Orten nach Kandidaten suchen

Jeder Recruiter wird seinen eigenen bewährten Mix an Kanälen anwenden, der sich über Online- und Offlinemaßnahmen erstreckt. Offlinemaßnahmen wie der Kontakt über das persönlich aufgebaute Netzwerk kosten viel Zeit und erfordern Ausdauer. Auf der anderen Seite liefert „Vitamin B“ vielversprechende Ergebnisse. Vorausgesetzt, es werden nicht sofort Erfolge von einer neuen Kontaktanbahnung erwartet.

Vitamin B im Recruiting
Die Pflege des persönlichen Netzwerks: Eine wichtige Quelle auf der Suche nach Fachkräften

Online erstreckt sich die Suche über verschiedenste Datenbanken, soziale Netzwerke wie LinkedIn und Xing, aber auch Twitter, Facebook sowie themenspezifische Foren und Communities. Je nach Branche sind letztere besonders interessant, da sie nicht jeder Marktbegleiter verwendet. Außerdem verrät das Portfolio eines Entwicklers auf github.com oder stackoverflow.com meist mehr über seine praktische Erfahrung als sein Lebenslauf bei Xing oder LinkedIn. Die Herausforderung dabei: Gerade in Communities und Foren, wo sich die Fachkräfte unter ihresgleichen bewegen, sind sie selten mit ihrem echten Namen, sondern anonym mit einem Fantasienamen unterwegs. Manche verweigern aus Datenschutzgründen sogar komplett die Nutzung von Plattformen wie LinkedIn und Xing.

Wie kann eine Künstliche Intelligenz die Kandidatensuche im Recruiting unterstützen?

  • Formulierung von Suchanfragen: Künstliche Intelligenz hilft bei der Formulierung von Suchanfragen durch Vorschlagen verwandter Suchbegriffe und Hinweise zur Eingrenzung der Suche.
  • Suche von geeigneten Profilen über mehrere Datenbanken hinweg: Bereits heute gibt es Suchmaschinen, die basierend auf Ihrer Suchanfrage geeignete Profile aus der Masse an über 80 sozialen Netzwerken und Online-Communities herausfiltern. Dies spart viel Zeit, denn es muss nicht mehr jede Website einzeln aufgerufen werden.
  • Aggregation von Profilen: Metasuchmaschinen entdecken Gemeinsamkeiten unter den Profilen. Das vermeidet Dupletten, wenn Profile ein und dergleichen Person in einem Datensatz zusammengefasst und nicht als mehr als unterschiedliche Einzelprofile angezeigt werden.

Grundsätzlich kann die Unterstützung durch intelligente Tools in dieser Phase Mitarbeitern im Recruiting sehr viel Zeit sparen und zu besseren Suchtreffern führen. Zu beachten ist, wie häufig die Crawler der Metasuchmaschinen das Web auf neue Ergebnisse scannen. Sind die Aktualisierungszyklen sehr lang, werden gegebenenfalls veraltete Profile angezeigt. Es lohnt sich deshalb bei spannenden identifizierten Kandidaten immer noch einmal manuell zu prüfen, dass die Informationen im Profil auf dem aktuellsten Stand sind.

Recruitingphase 2: Ausgewählte Kandidaten ansprechen

Es ist allgemein bekannt, dass jeder potenziell gute Kandidat bereits mit einem Job „versorgt“ ist. Im Recruiting geht es also darum die Wechselbereitschaft von Kandidaten ausfindig zu machen und sie für etwas Neues zu begeistern. Sind mögliche Kandidaten erst einmal identifiziert, sind in dieser Phase folgende Fragen zu beantworten:

  • Über welchen Kanal wird der Kandidat angesprochen?
  • Zu welchem Zeitpunkt wird der Kandidat angesprochen?
  • Welche Tonalität wird verwendet?
  • Was ist Inhalt der Nachricht?

Sensibilität und Empathie sind gefordert um eine passende Ansprache zu wählen: Du oder Sie? Welche Besonderheiten fallen zum Kandidaten auf, warum passt das Profil der Person auf die gesuchte Stelle? Was bietet das Unternehmen dem Kandidaten?

Werden bald Chatbots im Recruiting eingesetzt?
Werden bald Chatbots im Recruiting eingesetzt?

Niemand möchte mit einer Standardnachricht wie „Guten Tag Frau XYZ, wir haben Ihr spannendes Profil gesehen, das perfekt auf unsere ausgeschriebene Stelle als (…) passt. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.“ abgefertigt werden. Eine individuelle Nachricht ist wichtig. Dazu muss man sich ausgiebig mit dem Kandidatenprofil befassen.

Wie kann eine Künstliche Intelligenz die Ansprache von Kandidaten unterstützen?

  • Extraktion und Zusammenfassung wichtiger Informationen: Gerade wenn es darum geht eine passgenaue Nachricht an Kandidaten zu verfassen, könnte ein intelligentes Textextraktionstool unterstützen. Vorstellbar ist, dass das Tool die Profile auf die jeweiligen Besonderheiten scannt und mit den Anforderungen des Unternehmens und dem Anforderungsprofil der Stelle abgleicht. Herauskommen könnte ein Textvorschlag, der sowohl den passenden Ton zur Person trifft (basierend auf eigenen Angaben und Texten aus dem Netz) als auch die Besonderheiten des Profils hervorhebt.
  • Den richtigen Zeitpunkt abpassen: Weiterhin ist denkbar, dass intelligente Tools Empfehlungen darüber geben, über welche Plattform der Bewerber die Nachricht am schnellsten liest wird und wo die höchste Antwortrate zu erwarten ist. Den automatisch generierten Textvorschlag müsste der Recruiter nur noch einmal auf Sinnhaftigkeit prüfen – und könnte ihn in kürzester Zeit absenden.

Das automatische Extrahieren, Zusammenfassen und Verschlagworten von Informationen ist bei der Analyse von Daten bereits jetzt gang und gäbe. Allerdings ist fraglich, inwieweit man sich auf die extrahierten Daten verlassen kann. Sind wirklich keine wichtigen Informationen verloren gegangen? Wie werden bestimmte Merkmale gewichtet? Welche Logik hinter einem Tool steckt ist unklar und wird gegebenenfalls auch zu Befürchtungen führen, dem Tool zu sehr ausgeliefert zu sein. Diese Tools ohne jegliche menschliche Prüfung zu verwenden scheint im Moment noch ferne Zukunftsmusik zu sein.

Recruitingphase 3: Interessierte Kandidaten qualifizieren

Sobald sich interessierte Kandidaten auf die Nachricht zurückmelden, gilt es, ihre Profile zu qualifizieren. Recruiter werden sich nicht entgehen lassen den Menschen hinter einem vielversprechenden Profil kennenzulernen. Auch um dem Kunden gegenüber eine klare Empfehlung abgeben zu können. Darum wird dieser Schritt immer durch ein persönliches Gespräch, entweder via Telefon oder Skype, oder wenn möglich vis-à-vis durchgeführt.

Das persönliche Gespräch nimmt einen sehr wichtigen Platz im Recruitingprozess ein: Beide Seiten können in diesem ihre Fragen stellen und Erwartungen klären, wie:

  • Welche Ziele werden angetrebt?
  • Welche Motivation liegt auf Seiten der Kandidaten vor?
  • Welches Gehalt ist möglich?
  • Welche Benefits gibt es im Unternehmen?
  • Wann soll der Wechsel in die neue Position erfolgen?
  • usw.

Wie kann eine Künstliche Intelligenz bei der Qualifizierung von Kandidaten helfen?

  • Klärung immer wiederkehrender Fragen: Denkbar ist hier der Einsatz von Chatbots, die auf Basis vordefinierter Fragen und Antworten die Gesprächsführung übernehmen. Chatbots lohnen sich insbesondere dann, wenn die gleichen Fragen immer wieder beantwortet werden müssen.

Fraglich ist, wie Fach- und Führungskräften auf Chatbots reagieren werden. Im Gegensatz zu Berufsanfängern haben sie höhere Anforderungen an ihren nächsten Job und werden damit auch komplexere Fragen stellen, die nicht so leicht vorhersehbar sind. Auch ihre Erwartungshaltung gegenüber der Betreuung von professionellem Recruitern wird eine andere sein, als von einem Chatbot „interviewt“ zu werden.

Recruitingphase 4: Qualifizierte Bewerber coachen

Nach der Qualifizierung der interessierten Kandidaten steht fest, welche davon zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. In Vorbereitung auf das Gespräch coachen gute Personalberatungen diese, und geben ihnen Hinweise, u. a. wie sie sich bestmöglich vor dem potenziellen Arbeitgeber präsentieren. Diese Arbeit ist sehr persönlich und individuell. Basierend auf dem Kandidatenprofil empfehlen nachhaltig operierende Personalberatungen wie holisticminds, welche Erfahrung auf jeden Fall besonders hervorgehoben werden sollte und welche Details im besten Falle unerwähnt bleiben sollten.

Coaching von Bewerbern
Im Coaching der Bewerber wird nochmals ihr persönliches Profil geschärft

Wie kann eine Künstliche Intelligenz im Coaching von Bewerbern helfen?

Dass Maschinen diese Aufgabe einmal übernehmen, ist für uns von holisticminds bisher undenkbar. Unserer Meinung nach braucht es hier den Recruiter als Schnittstelle zwischen beiden Welten, dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Er kennt den Kunden, seine Anforderungen wie auch die Unternehmenskultur bestens und weiß daher, mit welcher Erfahrung und Eigenschaften der Bewerber besonders punkten kann.

Coaching durch den Computer können wir uns eher als allgemeines Karriere-Coaching, nicht aber spezifisch auf eine Stelle zugeschnitten, vorstellen.

Recruitingphase 5: Vorstellungsgespräche führen

Wird ein Kandidat zum Vorstellungsgespräch eingeladen, ist eines sicher: Die fachliche Qualifikation passt generell zur gesuchten Position im Unternehmen. Jetzt geht es neben der fachlichen Tiefe der Qualifikationen zusätzlich um die Frage, ob auch die Chemie zwischen beiden Parteien passt. In den Vorstellungsgesprächen bekommt der Kandidat deshalb tiefergehende Fragen zu seinem Profil und seinem Können gestellt. So möchte man herausfinden, wie der Bewerber „tickt“. Man versucht, von den Aussagen des Bewerbers Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu ziehen.

Um keine wichtige Frage zu vergessen, kommen dabei auch Interviewleitfäden zum Einsatz. Die Kunst ist es diese Fragen situativ passend zu stellen und trotzdem flexibel im Gespräch zu bleiben. Wer diese Kunst nicht beherrscht, den engen sie womöglich eher ein.

Für ein möglichst umfassendes Bild ist es üblich, dass mehrere Personen beim Vorstellungsgespräch anwesend sind. Neben der zukünftigen Führungskraft und Vertreter aus HR sind häufig in Zweit- und Drittgesprächen auch direkte Teamkollegen dabei. Dieser höhere personelle Aufwand zahlt sich aus, denn bekanntermaßen gilt: „vier Augen sehen mehr als zwei“.

Welche Fähigkeit kann Künstliche Intelligenz in Vorstellungsgesprächen übernehmen?

Im Job werden Menschen mit Menschen zusammenarbeiten, deshalb glauben wir nicht daran, dass Menschen irgendwann keine Vorstellungsgespräche mehr führen müssen.

Team in lebhafter Diskussion
Team trifft auf Bewerber: Man lernt sich gegenseitig kennen

Denn was in Online-Profilen nicht ersichtlich ist, wird spätestens im persönlichen Kennenlernen sichtbar. Man nimmt seinen Interviewpartner mit allen Sinnen wahr. Feinste Änderungen in der Stimmlage, Mimik und Gestik zeigen, ob das Gegenüber bei bestimmten Aussagen nervös oder gelassen, begeistert oder gelangweilt ist. Auch den Körpergeruch nehmen wir wahr und er bestimmt schließlich darüber, ob wir jemanden sympathisch finden oder nicht. Wir Menschen sind seit Jahrtausenden darauf trainiert, diese Zeichen sensibel wahrzunehmen und intuitiv die Frage zu beantworten: Können wir dem Gegenüber vertrauen? Fraglich ist, ob die Antwort auf diese Frage auch irgendwann von einer Künstlichen Intelligenz kommen kann.

Vorstellbar ist eine Assistenz in der Gesprächsführung: Ein intelligenter Interviewleitfäden könnte dem Interviewer nach bestimmten Aussagen des Bewerbers empfehlen, eine konkrete Anschlussfrage zu stellen oder darauf hinwirken, das Thema zu wechseln.

Recruiter werden nicht ersetzt, sie bekommen aber neue Werkzeuge an die Hand

Mitarbeiter in der Personalgewinnung und -vermittlung können aufatmen: So schnell wird ihr Job nicht obsolet werden. Jedoch bietet Künstliche Intelligenz bereits jetzt und in Zukunft zahlreiche Möglichkeiten ihre Arbeit in Teilbereichen zu unterstützen.

In der Automatisierung und Vereinfachung von bestimmten Arbeiten liegt eine große Chance für das ganze Berufsfeld: Personen im Recruiting können sich zukünftig auf andere Tätigkeiten konzentrieren. Zum Beispiel das individuelle Coaching und die Profilschärfung der Kandidaten. Oder den persönlichen Netzwerkaufbau, um nachhaltig erfolgreich in der Personalgewinnung und -vermittlung zu sein.

Nutzung Künstlicher Intelligenz ist ein Wettbewerbsfaktor im War for talents

Jedes Unternehmen, das durch den Einsatz von intelligenter Technik bessere Kandidaten findet und seine Effizienz in der Betreuung von Bewerbern erhöht, hat ganz klar einen Wettbewerbsvorsprung. Allerdings verändert sich auch das Jobprofil an die Recruiter selbst. Mitarbeiter im Personalbereich müssen lernen diese Technik zu bedienen und gegebenenfalls zu trainieren. Auch das kostet Zeit und Ressourcen.

Das Feedback vom Markt entscheidet über den Einsatz von KI

Entscheidend für den Erfolg von Künstlicher Intelligenz in der Branche wird sein, wie der Markt, vor allem die stark umkämpfte Zielgruppe der Fachkräfte, darauf reagiert.

Werden intelligente Suchmaschinen die richtigen Profile finden? Werden automatisch generierte Nachrichten so gut formuliert sein, dass sich Bewerber von ihnen angesprochen fühlen? Steigt damit die Reaktionsfähigkeit? Reden Bewerber lieber mit einem Chatbot als mit einem Menschen? Wie verbessert sich die Candidate Experience insgesamt?

Wir als holisticminds werden die Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit und Interesse verfolgen, geeignete Tools testen und bei Gefallen mit in unsere Arbeitsprozesse aufnehmen. Wir sind hier ganz auf der Seite von Physiker Max Tegmark, der in einem Interview mit der FAZ folgenden Satz prägte:

Autorin: Ute Klingelhöfer für holisticminds – schreibt Artikel für den Blog und macht komplexe Themen verständlich.