Der Fachkräftemangel lässt die Büros leer stehen

Mitarbeitermangel – Unternehmen müssen umdenken

Es ist kein Geheimnis: Seit Jahren beklagen Wirtschaftsexperten den Fachkräftemangel. Hunderttausende Stellen bleiben unbesetzt und kosten damit die deutsche Wirtschaft Umsatzeinbußen in Milliardenhöhe. Zuwanderung aus dem Ausland und kürzere Ausbildungsgänge können das Problem nur bedingt lösen. Es liegt an den Unternehmen selbst, Maßnahmen gegen den „Bremsklotz“ der deutschen Wirtschaft, wie bitkom-Präsident Berg den Fachkräftemangel bezeichnet, zu entwickeln.

Was können Unternehmen selbst gegen den Fachkräftemangel tun?

Im Wesentlichen gibt es drei Stellschrauben, an denen Unternehmen dem Fachkräftemangel in der eigenen Firma entgegenwirken können:

  • Neue Maßnahmen in der Gewinnung von neuen Mitarbeitern
  • Die (Weiter-)Entwicklung von Mitarbeitern im Unternehmen sowie
  • Die Bindung von langjährigen Mitarbeitern ans Unternehmen

Fachkräfte werden bereits vor ihrem Ausbildungsabschluss heiß umworben

In der Gewinnung von neuen Mitarbeitern herrscht ein regelrechter „War for talents“. Unternehmen buhlen bereits um zukünftige Mitarbeiter, wenn diese noch nicht einmal ihre Ausbildung oder Studium beendet haben. Junge Talente in den letzten Semestern ihres Studiums können sich vor Anfragen von Headhuntern auf XING und LinkedIn kaum retten. Erfahrenen Fachkräften geht es nicht anders: Auch sie werden auf den Online-Netzwerken oder bei Netzwerkveranstaltungen von Personalverantwortlichen umworben. Wer es geschickt anstellt, hat immer mehrere Angebote in der Hand und kann sich seinen Job aussuchen. 

Es herrscht ständige Gefahr, dass die eigenen Kräfte bald beim Wettbewerber arbeiten. Unternehmen müssen kreativ darin werden, wie sie ihre Talente halten. Start-up-Flair, Job Ticket, Job-Rad oder Firmenwagen, flexible Modelle für die Gestaltung der Arbeitszeit- und des Orts, Teamevents, vermögenswirksame Leistungen, kostenfreie Getränke und Essen sind beliebte „Köder“, mit denen Unternehmen versuchen, den Arbeitsplatz attraktiv zu machen. Doch wenn alle Unternehmen auf diese Maßnahmen setzen, wird die Suche nach ausgebildeten Fachkräften zum Kampf im Haifischbecken.

Liegt es da nicht nahe, einmal in anderen Gewässern zu suchen, und umzudenken? Etwas anders zu machen, etwas, das nicht jeder bietet? Oder Zielgruppen anzusprechen, die abseits der Stereotype sind?

Mitarbeitergewinnung abseits der Stereotype

Die Initiative „Finish IT“ des CyberForum e.V. ist dafür ein Beispiel: Studienabbrecher technischer Studiengänge wie u. a. Elektrotechnik, Informatik oder Wirtschaftsingenieurwesen bekommen hier die Chance, einen anerkannten Ausbildungsabschluss zu erwerben. Anstatt ohne Abschluss auf dem Arbeitsmarkt zu landen, erhalten die Studienabbrecher bei einem passenden Unternehmen einen Ausbildungsplatz. Während dieser Zeit erwerben sie technische und kaufmännische Fähigkeiten. Das Projekt schafft für die Studienabbrecher wie die Wirtschaft eine Win-Win-Situation. Beweis dafür ist, dass die Initiative seit vielen Jahren in Folge durchgeführt wird. Erfolgsgeschichten wie die des ehemaligen Lehramtsstudenten Sven Jagic, der sein Studium in Mathematik und Englisch abbrach, im Projekt Finish IT landete und nun selbst Ausbilder ist, bestätigen dies zusätzlich.

Wenig berücksichtigt auf dem Arbeitsmarkt: Menschen mit Wunsch nach Teilzeit

Doch Studienabbrecher sind nicht die einzige Zielgruppe, die bei der Suche nach neuem Personal gerne mal untergeht. Es gibt noch viel mehr Kandidaten, die keinen „glatten“ Lebenslauf haben. Viele Menschen haben Lust zu arbeiten, können oder wollen dies aufgrund von privaten Verpflichtungen aber nicht mehr in Vollzeit tun. Tatsächlich: Wer einmal die Stellenbörsen durchsucht, bemerkt schnell: Nur wenige Stellen sind in Teilzeit ausgeschrieben. Menschen, die sich um ihre Kinder oder ihre kranken Angehörigen kümmern oder selbst aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr in Vollzeit arbeiten gehen können, werden ignoriert. Es scheint, dass „zeitliche Verfügbarkeit“ immer noch vor „Kompetenz“ geht. Hier muss in den Unternehmen ein Umdenken stattfinden.

Care-Arbeit: Anstatt die ersten Lebensjahre ihres Kindes zu verpassen, wollen junge Väter zunehmend ihre Arbeitszeit reduzieren. Bildquelle: Pixabay, Daniela Dimitrova

Das Unternehmen tandemploy erkannte diese Herausforderung als Chance. Es machte das sogenannte „Job-Sharing“ bekannt: Zwei oder mehr Menschen teilen sich eine Vollzeitstelle. Die junge Firma bringt diese Menschen mit Unternehmen zusammen. Damit ermöglicht sie Elternzeitrückkehrern, Altersteilzeitlern und Menschen, die in Teilzeit Führungsverantwortung übernehmen möchten, einer Arbeit nachzugehen, die auf ihre Kompetenzen passt. Sie sind nicht gezwungen, einen viel geringer qualifizierten Job anzunehmen, nur weil dort die zeitlichen Rahmenbedingungen passen.

Wiedereingliederung gilt nicht nur für die eigenen Mitarbeiter

Unternehmen mögen zwar interne Maßnahmen getroffen haben, um Mitarbeiter, die bereits für sie tätig waren, nach längerer Abwesenheit wie Krankheit, Elternzeit oder Sabbatical wieder einzugliedern. Doch warum nicht explizit nach solchen Kandidaten Ausschau halten? So häufig jedoch, wie über Arbeitszeitreduktion, 4-Tage-Woche, 6-Stunden-Tag und Führung in Teilzeit in den Medien philosophiert wird, so wenig ist davon in der Realität tatsächlich zu sehen.

Dem Verlust der eigenen Mitarbeiter vorbeugen: Weiterentwicklung

Um Mitarbeiter langfristig ans eigene Unternehmen zu binden, reichen „Wohlfühlfaktoren“ wie ein marktgerechtes Gehalt und ein freies Mittagessen in der hauseigenen Kantine nicht aus. Menschen streben nach Wertschätzung, wollen sich einbringen und gebraucht fühlen. Dazu gehört, dass man sich stetig weiterentwickeln kann. Die Antwort des Karlsruher Unternehmens CAS AG ist die hauseigene Weiterentwicklungsakademie. Hier definieren Mitarbeiter, Führungskraft und Akademieverantwortliche gemeinsam einen persönlichen Entwicklungsweg für den Mitarbeiter in der CAS AG, der sich auf seine Stärken konzentriert. So können Mitarbeiter entweder zum Experten, zur Projektleitung oder zur Führungskraft aufsteigen. Weiterhin besteht für jeden Mitarbeiter die Möglichkeit, sich innerhalb dieser internen Weiterbildungsakademie als Mentor oder Pate für neue Mitarbeiter einzubringen.

Allgemein ist Mentoring für alle Unternehmen eine Möglichkeit, Mitarbeiter aus zwei verschiedenen Fachbereichen zusammenzubringen und somit auch eine Chance, neue Fachkräfte intern zu rekrutieren. Zusätzlich kann Mentoring auch als Maßnahme zur gezielten Nachwuchsförderung eingesetzt werden.

Human Ressources braucht ein neues Selbstverständnis

All die Maßnahmen, die eine Antwort auf den Fachkräftemangel darstellen können, bedeuten für Unternehmen auch: Personalarbeit kann nicht mehr reine Verwaltungsarbeit sein. Employer Branding und Personalentwicklung sind wichtige Aufgabenfelder für Human Ressources. Die Verantwortung für Weiterentwicklung darf nicht allein beim Mitarbeiter selbst liegen. Es braucht eine entsprechende Philosophie und strukturierte Weiterbildungsprogramme und -budgets, denn der beste Schutz gegen Fachkräftemangel ist immer noch: Die eigenen Mitarbeiter im Haus zu halten. Und wenn diese zufrieden sind, sind sie auch die beste Werbung, um neue Mitarbeiter zu gewinnen.

Titelbild von Pexels auf Pixabay

Autorin: Ute Klingelhöfer für holisticminds – schreibt Artikel für den Blog und macht komplexe Themen verständlich.